Warum es so wichtig ist, beim Hund zwischen zu viel und zu wenig Magensäure zu unterscheiden
Vielleicht hast du es auch schon beobachtet: Hunde fressen Dinge, die für uns völlig ungenießbar erscheinen: einen alten Knochen, ein Stück Brötchen vom Boden oder etwas, das am Wegesrand liegt. Mal abgesehen davon, dass unsere Hunde natürlich so gut erzogen sind, dass sie das niemals tun würden 😉, würden wir Menschen davon vermutlich eine ordentliche Lebensmittelvergiftung bekommen. Bei einem gesunden Hund passiert dagegen meist nichts.
Das Geheimnis liegt in seiner Magensäure. Sie ist nicht nur deutlich saurer als unsere, sondern auch ein entscheidender Schutzmechanismus: Sie tötet potentiell gefährliche Keime ab, spaltet Proteine vor und sorgt dafür, dass das Futter überhaupt richtig weiterverdaut werden kann. Doch genau diese Magensäure kann auch Probleme bereiten, nämlich dann, wenn sie zu viel oder zu wenig vorhanden ist.
In diesem Artikel schauen wir uns an, welche Aufgaben die Magensäure beim Hund hat, was passiert, wenn das Gleichgewicht gestört ist, wie wir diese Prozesse aus westlicher und ayurvedischer Sicht verstehen können und welche Rolle Stress dabei spielt.
Inhaltsverzeichnis:
Magensäure und ihre Aufgaben im Hundemagen
Zu viel Magensäure - wenn der Hundemagen übersäuert
Magensäuremangel - wenn das Verdauungsfeuer beim Hund zu schwach ist
Stress als Verstärker beider Probleme
Fazit
Magensäure und ihre Aufgaben im Hundemagen
Damit ein Hund seine Futtermittel gut verdauen kann, braucht es ein besonderes „Werkzeug“: seine Magensäure. Sie ist bei einem gesunden Hund so stark, dass sie nicht nur frisches und rohes Fleisch, sondern sogar verwesendes Material zersetzen kann.
Im leeren Magen liegt der pH-Wert noch bei etwa 6, also eher mild. Doch sobald tierisches Eiweiß ins Spiel kommt, sinkt er schnell auf 1 bis 2 ab – ein Wert, der vergleichbar mit Batteriesäure ist. Für Bakterien und Keime bedeutet das in den meisten Fällen das sichere Ende. Eine Ausnahme bilden nur bestimmte nützliche Milchsäurebakterien, die dieser extremen Umgebung standhalten.
Doch Magensäure kann noch mehr: Sie aktiviert das Enzym Pepsin, das Eiweiße in kleinere Bausteine zerlegt. Nur so können diese später im Dünndarm aufgenommen und weiterverarbeitet werden. Funktioniert dieser Schritt nicht richtig, gelangen zu große Eiweißmoleküle bis in den Dickdarm und begünstigen dort langfristig Fehlbesiedlungen und Fehlgärungen.
Damit sich der Magen dabei nicht selbst verdaut, verfügt er über einen eingebauten Schutz: Die Magenwand produziert Schleimstoffe und Bicarbonat, die die Magenschleimhaut vor der Säure abschirmen.
Interessant ist auch, dass die Art der Nahrung die Magensäureproduktion stark beeinflusst: Pflanzliche Eiweiße regen sie deutlich weniger an als tierische. Rationen mit hohem Anteil an pflanzlichem Eiweiß können deshalb Beschwerden verursachen, weil insgesamt zu wenig Verdauungssäfte gebildet werden.
Eine kräftige Magensäure ist außerdem Voraussetzung für die Aufnahme von Vitamin B12. Hier spielt der sogenannte Intrinsic Factor eine Schlüsselrolle, ein Transporteiweiß, das beim Hund überwiegend in der Bauchspeicheldrüse, zu einem kleinen Teil aber auch im Magen gebildet wird. Die Bildung dieses Anteils gelingt nur dann, wenn ausreichend Magensäure vorhanden ist. Ist die Säureproduktion geschwächt, kann dadurch auch die Bereitstellung des Intrinsic Factors reduziert sein, mit der Folge, dass Vitamin B12 nicht mehr optimal aufgenommen wird. Genau diesen Zusammenhang sehen wir häufig bei Hunden mit chronischen Magenproblemen oder Bauchspeicheldrüsenschwäche.
Zu viel Magensäure - wenn der Hundemagen übersäuert
Die Magensäure ist für Hunde lebenswichtig. Doch wenn sie in zu großen Mengen gebildet wird, kippt die Balance und der Magen, sowie der Hund, geraten buchstäblich in Not.
Typische Symptome einer Übersäuerung sind:
Schmatzen oder Schlecken, besonders nachts oder in den frühen Morgenstunden
Wiederholtes Grasfressen mit Erbrechen von gelbem Schaum
Würgen, Aufstoßen, Anzeichen von Sodbrennen
Häufiges Positionswechseln und liegen auf kühlem Boden, sowie Bauchlecken
Nüchternes Erbrechen von Galle, Schleim oder sogar Blut
Brennender Magenschmerz (oft sichtbar als starkes Pfotenlecken)
Maulgeruch, gesteigerter Durst, Heißhunger oder Aufnahme von Unrat
Innere Gereiztheit und Ruhelosigkeit
👉 Die Übersäuerung betrifft häufiger junge Hunde oder Tiere mit einem ausgeprägten Pitta-Dosha, also Hunde mit viel innerem Feuer und Hitze.
Mögliche Ursachen
Eine der häufigsten Ursachen ist akuter Stress. Muss der Hund allein bleiben, erlebt Veränderungen im Alltag (z. B. Umzug, Familienzuwachs), gerät in Konflikte mit Artgenossen, leidet unter Futterneid oder hat hohen Leistungsdruck im Hundesport, schaltet sein Nervensystem auf Alarm. Die Magensäureproduktion steigt dann kurzfristig stark an. Die Folge können Reizungen der Magenschleimhaut sein.
Wird Stress zum Dauerzustand, kippt das Bild: Langfristig nimmt die Säureproduktion dann eher ab, die Verdauung wird schwächer. Diese Unterscheidung ist wichtig, damit Symptome nicht fehlinterpretiert werden.
Auch Fütterungsfehler können eine Rolle spielen, zum Beispiel:
Zu lange Fütterungspausen, vor allem bei Pitta-Hunden
Sehr fettreiches Futter
Zu hoher Anteil von Getreide oder Stärke in der Ration
Bleibt die Übersäuerung bestehen, kann sie die Magenschleimhaut reizen und langfristig in eine Gastritis oder Magengeschwüre übergehen.
🪷 Ayurvedische Sichtweise
Im Ayurveda wird ein Überschuss an Magensäure als „sauer gewordenes Pitta“ beschrieben – ein Zustand, der mit Hitze, Brennen und Gereiztheit einhergeht. Besonders anfällig sind Hunde mit viel Pitta-Anteil, oft junge oder pubertäre Tiere, die sich in der Pitta-Phase ihres Lebens befinden.
Eine ayurvedische Unterstützung würde darauf abzielen, Pitta zu beruhigen und Agni zu harmonisieren:
Leichte, magenfreundliche Kost in 3 Mahlzeiten pro Tag (Mittags eine Hauptmahlzeit)
Vermeidung stark erhitzender Futtermittel wie Rind- oder Lammfleisch, Joghurt oder sehr saure/scharfe Zutaten
Pitta-reduzierende Futtermittel wie Gurke, Zucchini, Fenchel
Unterstützung der Magenschleimhaut, z. B. mit Heilerde oder Moor
Stressreduktion durch ruhige Routinen, entspannte Fütterungssituationen und ausreichend Ruhephasen und tiefer Schlaf
Das Ziel ist, das innere Gleichgewicht wiederherzustellen, damit der Magen nicht „überhitzt“ und die Verdauungskraft stabil bleibt.
Magensäuremangel - wenn das Verdauungsfeuer beim Hund zu schwach ist
Fehlt es dem Hund an Magensäure, geraten gleich mehrere Prozesse durcheinander. Vor allem Proteine werden nicht ausreichend vorverdaut. Dadurch verweilt der Nahrungsbrei länger im Magen, beginnt zu gären und belastet sowohl den Darm als auch den kleinen Schließmuskel am Magenausgang. Ein Rückfluss in die Speiseröhre, also ebenfalls Sodbrennen, kann die Folge sein.
Typische Symptome einer Unterproduktion sind:
Aufstoßen mit unangenehmem Geruch nach dem Fressen
Erbrechen innerhalb kurzer Zeit nach der Mahlzeit
ebenfalls unangenehmer Maulgeruch, weil Keime nicht ausreichend eliminiert werden
Völlegefühl und Blähungen
Unverdaute Futterreste im Kot
Wechsel zwischen Durchfall und Verstopfung
Mattigkeit nach dem Fressen
manchmal auch Fressen von Fremdkot
Ein weiterer wichtiger Punkt: Für die Aufnahme von Vitamin B12 ist Magensäure unerlässlich. Nur wenn sie ausreichend vorhanden ist, wird im Magen der sogenannte Intrinsic Factor gebildet – ein Transporteiweiß, das Vitamin B12 verfügbar macht. Fehlt er, entwickelt sich oft ein B12-Mangel, der Blutbildung, Nerven und Stoffwechsel beeinträchtigen kann.
Auch andere Mineralstoffe wie Eisen, Kalzium und Magnesium werden bei Magensäuremangel schlechter aufgenommen.
Ursachen für zu wenig Magensäure können sein:
chronischer Stress
zunehmendes Alter (altersbedingte Atrophie der Magendrüsen)
schwere Magenerkrankungen oder wiederholte Gastritiden
zu hoher Anteil pflanzlicher Eiweiße im Futter
Gabe von Magensäureblockern über einen zu langen Zeitraum
🪷 Ayurvedische Sichtweise
Im Ayurveda entspricht eine verminderte Magensäure einem geschwächten Agni, also einem geschwächten Verdauungsfeuer. Betroffen sind oft ältere Hunde (natürliches Nachlassen der Verdauungskraft) oder Tiere mit viel Kapha-Anteil, die von Natur aus eine trägere Verdauung haben. Auch ein Vata-Ungleichgewicht, das das Pitta - Dosha blockiert z.B. durch Nervosität oder Dauerstress, kann Agni schwächen.
Die ayurvedische Unterstützung zielt dann darauf ab, das Verdauungsfeuer (Agni) zu stärken:
warme, leicht verdauliche Mahlzeiten statt kalter oder schwerer, roher Futtermittel
regelmäßige, kleine Mahlzeiten, um den Magen nicht zu überlasten
bittere Gemüse und Kräuter (z. B. Löwenzahn, Chicorée) in kleinen Mengen
bei Kapha-Hunden: insgesamt leichtere Kost, um das Verdauungsfeuer zu entlasten und ausreichend Bewegung, gerne auch vor der Mahlzeit
Stress als Verstärker beider Probleme
🌿 Westliche Sicht
Stress beeinflusst das Verdauungssystem. Das kennen wir alle: Magenschmerzen, Völlegefühl, Durchfall oder Verstopfung.
Eine wichtige Rolle spielen dabei die Stresshormone Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol. Sie verändern die Durchblutung, die Magensäureproduktion und die Magenbewegung. Was genau passiert, kann individuell verschieden sein.
Bei manchen Hunden führt Stress zu einer verstärkten Säureproduktion. Die Magenschleimhaut wird dadurch zusätzlich gereizt. Andere reagieren mit verringerter Verdauungsaktivität, der Magen entleert sich langsamer und das Futter liegt schwer im Magen. In beiden Fällen jedoch leidet der Schutzmechanismus des Magens: Die Schleimhaut ist schlechter durchblutet, die Schleimhautbarriere geschwächt, und selbst normale Säuremengen können nun schädlich wirken.
Auch die Magenmotilität (also die Magenbewegungen, die den Futterbrei durchmischen), gerät aus dem Gleichgewicht. Unter Stress kann der Magen phasenweise zu schnell arbeiten, um dann wieder ins Stocken zu geraten. Das begünstigt sowohl Aufstoßen und Reflux, als auch Gärungsprozesse, die später den Darm belasten.
Aus ayurvedischer Sicht verstärkt Stress vor allem Vata und oft auch Pitta. Unruhe, Nervosität und innere Anspannung bringen das Verdauungsfeuer (Agni) durcheinander: mal brennt es zu stark, mal erlischt es fast. Die Folge sind entweder Übersäuerung und Brennen oder eine geschwächte Verdauung mit Blähungen und als Folge eine mögliche Ama-Bildung.
Gesunde Verdauung - gesunder Hund 💜
Eine ruhige Tagesstruktur, regelmäßige Fütterungszeiten, Tagesroutinen und Pitta- wie Vata-ausgleichende Maßnahmen (z. B. beruhigende Ölmassagen, Ruhepausen, konstitutionsgerechte Kräuter) sind wichtige Ansätze, um die Verdauung langfristig zu stabilisieren.
Fazit
Magensäure ist für Hunde ein entscheidender Baustein der Verdauung und der Gesundheit insgesamt. Sowohl ein Zuviel als auch ein Zuwenig kann zu ernsthaften Beschwerden führen und auch die Darmgesundheit beeinflussen. Entscheidend ist daher, genau hinzuschauen und zu unterscheiden, ob eine Übersäuerung oder eine Unterproduktion vorliegt. Erst dann lässt sich die richtige Form der Unterstützung wählen, sei es über Fütterung, ayurvedische Ansätze zur Stärkung von Agni und zur Harmonisierung der Doshas.
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Quellenangaben:
- Seminarunterlagen Ayurveda- Tiertherapeut (Dozentin: Theresa Rosenberg)
- Heilsame Ayurveda - Magen, Darm & Verdauung (Hans Heinrich und Irene Rhyner - 2022 Königsfurt-Urania Verlag GmbH)
- Ayurveda-Medizin - Therapiekonzepte für innere Erkrankungen (Shive Narain Gupta & Elmar Stapelfeldt - 2023 Thieme Verlag)
- Brennpunkt Darm - Dr. med Vet Jutta Ziegler (2024 - VfcG - Verlag für chronische Gesundheit e.U.)
- Praktikum der Hundeklinik - begründet Hans G. Niemand - Herausgegeben von Barbara Kohn & Günter Schwarz (12. Auflage - Enke Verlag)