Was ist CDL und DMSO für Tiere?
Ein kritischer Blick auf fragwürdige Anwendungen in der Tiernaturheilkunde
Ich bin vor einiger Zeit aus einer Bioresonanz-Therapeuten-Gruppe ausgestiegen, weil dort wiederholt empfohlen wurde, einem Pferd mit Equinem Asthma CDL und DMSO als Kombinations-Darmeinlauf zu verabreichen – mit der Begründung, dies würde „den Sauerstoffgehalt der Zellen erhöhen und über das Pfortader-System schneller zur Lunge gelangen“. Auf kritisches Rückfragen meinerseits hieß es, der Erfolg gäbe recht, und mit Menschen wie mir würde man nicht diskutieren. Ich solle mich lieber selbst informieren.
Übrigens kein Einzelfall: Eine Kollegin von mir musste mit ansehen, wie eine Tierhalterin begann, ihr Pferd mit CDL zu inhalieren – überzeugt von Aussagen aus solchen Kreisen. Kein Herankommen mehr, keine Möglichkeit, sachlich aufzuklären.
Solche Aussagen und die Art, wie Kritik in manchen Gruppen abgewehrt wird, untergraben das Vertrauen in unsere Berufsgruppe. Wer von einer Methode überzeugt ist, sollte in der Lage sein, sie fachlich zu begründen und sich der Diskussion gerade mit Tierärzt:innen, Tierheilpraktiker:innen und Tierhalter:innen zu stellen. Stattdessen wird häufig auf angebliche Erfolge verwiesen und erklärt, man „diskutiere nicht mehr“.
“Doch”, sage ich, denn genau dazu sollten wir bereit sein, wenn wir als Therapeut:innen ernst genommen werden wollen.
In diesem Artikel werfe ich deshalb einen kritischen Blick auf zwei Substanzen, die in Teilen der alternativen Tiermedizin als Wundermittel gehandelt werden: CDL (Chlordioxidlösung) und DMSO (Dimethylsulfoxid). Ich beleuchte, was diese Mittel sind, welche Risiken bestehen und warum ihre Anwendung aus ganzheitlicher Sicht problematisch ist.
Was ist CDL? Was ist DMSO?
Was ist CDL?
CDL steht für Chlordioxid-Lösung, also Chlordioxid (ClO₂) in wässriger Lösung. Ursprünglich wird die Substanz als Industriedesinfektionsmittel verwendet, z. B. zur Wasseraufbereitung oder zur Oberflächenreinigung in Gebäuden.
In der alternativen Szene, auch im Bereich der Tierheilkunde, wird CDL beworben als Mittel zur Bekämpfung von Krankheitserregern, Parasiten oder Toxinen im Körper. Befürworter nennen es eine sanfte und kostengünstige Möglichkeit der „inneren Reinigung“…
…Wikipedia nennt es “missbräuchliche Verwendung”.
Denn CDL ist ein starkes Oxidationsmittel. Es wirkt nicht nur antibakteriell und antiviral, sondern kann auch gesunde Zellen und Schleimhäute schädigen. Denn Hand aufs Herz: Wenn CDL zur Trinkwasseraufbereitung eingesetzt wird, ist das Ziel, alle schädlichen Mikroorganismen abzutöten – nicht nur gezielt ausgewählte. Genau deshalb ist es als Reinigungsmittel wirksam, aber als Therapeutikum ungeeignet.
Die Substanz hat keine Zulassung zur Behandlung von Tieren oder Menschen – weder in Deutschland noch in den meisten anderen europäischen Ländern.
Was ist DMSO?
DMSO steht für Dimethylsulfoxid, eine farb- und geruchlose Flüssigkeit mit hoher Durchlässigkeit. Ursprünglich stammt DMSO aus der chemischen Industrie und wurde dort als Lösungsmittel eingesetzt.
In der Humanmedizin wird DMSO in Einzelfällen zur Behandlung des Blasenschmerzsyndroms (interstitielle Zystitis) eingesetzt – unter streng kontrollierten Bedingungen und ausschließlich beim Menschen. Für die tiermedizinische Anwendung besteht hierfür weder eine Zulassung noch eine wissenschaftliche Grundlage.
In der alternativen Tierheilkunde wird DMSO zunehmend verwendet zur Schmerzlinderung, Entzündungshemmung oder im Rahmen von „Entgiftungskuren“ – ohne gesicherte Studienlage.
Problematisch ist dabei vor allem die Eigenschaft von DMSO, andere Stoffe durch Haut und Zellwände zu transportieren – was bei Kombination mit nicht geprüften Substanzen unkalkulierbare Risiken birgt.
Risiken & Nebenwirkungen – Was sagt die Wissenschaft?
Ursprungsideologie
Die Geschichte von CDL beginnt mit Jim Humble, einem ehemaligen Goldsucher, der das sogenannte „Miracle Mineral Supplement“ (MMS) verbreitete – ein selbst gemischtes Produkt auf Basis von Chlordioxid. Er behauptete, es könne Krankheiten wie AIDS, Krebs oder Malaria heilen. Wissenschaftlich belegt ist das nicht. Vielmehr warnten Behörden in mehreren Ländern früh vor der Einnahme.
Ob als MMS oder als CDL – chemisch handelt es sich um dasselbe: ein starkes Oxidationsmittel, das ursprünglich zur Desinfektion gedacht war, nicht für den medizinischen Einsatz.
Bewertung durch Wissenschaft & Behörden
CDL
Toxische Wirkung auf Schleimhäute, Zellen und Organe bei oraler, rektaler oder inhalativer Anwendung.
BfR und BfArM warnen seit Jahren vor CDL als Heilmittel – insbesondere für die innere Anwendung.
Nebenwirkungen reichen von Übelkeit, Verätzungen, Durchfällen bis zu dauerhaften Organschäden.
DMSO
Schleppstoff, der Wirkstoffe (auch toxische) in Zellen schleusen kann.
Nebenwirkungen: Augenlinsenschäden, Leber- und Nierenschäden, allergische Reaktionen, Veränderungen am Erbgut – vor allem bei innerlicher oder hochkonzentrierter Anwendung.
Besonders problematisch bei Kombination mit anderen nicht geprüften Substanzen – z.B. wie CDL.
Kombination CDL & DMSO: Doppelte Gefahr
Die gleichzeitige Anwendung beider Stoffe, etwa in Form von Darmeinläufen beim Pferd oder Hund, ist besonders risikoreich:
Verstärkte Aufnahme von Chlordioxid durch DMSO mag plausibel klingen, ist aber toxikologisch nicht abschätzbar.
Es gibt keine Zulassung, keine Sicherheitsbewertung, keine klinischen Studien – weder einzeln noch in Kombination.
Die Behauptung, man könne durch die Kombination aus CDL und DMSO den Sauerstoffgehalt in den Zellen steigern – und dies besonders „effektiv“ durch einen Darmeinlauf –, ist fachlich nicht haltbar und entbehrt jeder physiologischen Logik.
Die ganzheitliche Tiertherapie folgt anderen Prinzipien
Während CDL und DMSO auf chemischen, teils aggressiven Interventionen beruhen, folgt die ganzheitliche Tiertherapie – ob ayurvedisch, nach den Prinzipien der TCM oder energetisch – einem völlig anderen Grundverständnis: Ziel ist nicht die pauschale „Bekämpfung“ von Symptomen, sondern die Stärkung von Selbstregulation und körpereigenen Genesungsprozessen. Für mich haben diese beiden Substanzen deshalb nichts mit Naturheilkunde oder verantwortungsvoller Tiertherapie zu tun.
Der Fokus liegt für mich stattdessen auf der Kombination verschiedener, naturheilkundlicher Methoden: individuell abgestimmter Ernährung, Phytotherapie, Mykotherapie, Aromatherapie und Bioresonanztherapie.
Die Mittel oder Anwendungen sind in der Regel gut verträglich, wenn sie verantwortungsbewusst eingesetzt werden, versprechen keine Wunder, sondern zielen darauf ab, dem Körper selbst den Anstoß zur Regulierung zu geben.
Ein ayurvedischer Blick
In der alternativen Tierheilkunde gibt es berechtigte Anliegen: Viele Tierhalter:innen suchen nach Wegen, den Körper bei Belastungen zu unterstützen, das Immunsystem zu stärken oder Stoffwechselprozesse auf sanfte Weise anzuregen. Doch genau an dieser Stelle ist entscheidend, welche Mittel und Konzepte wir wählen und auf welchem Verständnis sie beruhen.
Während CDL und DMSO auf chemischer Wirkung beruhen, verfolgt der Ayurveda einen zutiefst ganzheitlichen, regulativen Ansatz. Der Fokus liegt auf der Wiederherstellung von Balance: Der Zustand des Verdauungsfeuers (Agni), die individuelle Konstitution (Prakriti) und das aktuelle Ungleichgewicht (Vikriti) bestimmen die therapeutische Richtung.
Wenn im Ayurveda von Ama-Ausleitung die Rede ist – also dem sanften Lösen und Ausleiten von Stoffwechselrückständen – geschieht dies nicht einfach pauschal, sondern abgestimmt auf die jeweilige Konstitution des Patienten.
Es werden z.B.
– verdauungsfördernde, schleimhautschützende Kräuter oder Gewürze,
– typgerechte Bittersäfte
– warme Ölanwendungen oder aromapflegerische Unterstützung
gezielt eingesetzt, um den Körper bei der Selbstregulation zu helfen.
Ein ayurvedisch verstandener Behandlungsprozess bedeutet kein Kampf gegen Symptome, sondern eine behutsame und wie ich finde sehr wertschätzende, Einladung zurück in seine eigene Ordnung zu finden.
Genau das macht den Unterschied und erklärt, warum CDL und DMSO aus meiner Sicht nicht zu einer verantwortungsvollen Naturheilkunde passen können.
Ethische Verantwortung in der Tiernaturheilkunde
Wer Tiere behandelt, trägt Verantwortung. Für ihre Gesundheit und für die Entscheidungen, die Menschen für sie treffen. Gerade in einem Berufsfeld wie der Tiernaturheilkunde, das noch immer um Anerkennung ringt, braucht es fachlich fundierte, ethisch reflektierte und nachvollziehbare Entscheidungen. Keinen blinden Aktionismus, keine unhaltbaren Heilversprechen oder den vermeintlich nächsten Trend mit dem übernächsten Wundermittel.
Schon die Begriffe „Wundermittel“ oder „Heilung ohne Nebenwirkungen“ sollten uns als Therapeut:innen stutzig machen. Wenn etwas tatsächlich so wirksam wäre, so sicher und vor allem universell einsetzbar – warum ist es dann nicht längst fester Bestandteil der evidenzbasierten Medizin? Warum wurde es nicht längst mit einem Nobelpreis ausgezeichnet?
“Wer heilt, hat recht“ – dieser Satz wird gern bemüht, wenn es an Belegen fehlt. Doch auch Placebo-Effekte, Spontanheilungen oder schlicht unklare Krankheitsverläufe können fälschlich als Beweis gewertet werden. Die Tatsache, dass ein Tier nach Anwendung einer Substanz keine akuten Symptome zeigt, bedeutet nicht, dass die Methode sicher oder verantwortungsvoll war.
Fazit - was bleibt?
CDL und DMSO stehen für mich sinnbildlich für Trends, die schnelle Effekte versprechen und angeblich universell einsetzbar sind.
Doch Gesundheit ist nicht universell. Gesundheit braucht Individualität, Zeit, Geduld und die Bereitschaft, genauer hinzusehen.
Verantwortungsvolle Tiertherapie bedeutet für mich: fundiertes Wissen, sorgfältiges Abwägen – und manchmal eben auch die Zusammenarbeit mit der Schulmedizin, wenn es notwendig ist.
Und da wären wir wieder bei meiner Vision: einander zuhören, sich Zeit nehmen – und miteinander statt gegeneinander arbeiten.
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Quellen & weiterführende Informationen:
Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen - BASG: Warnung vor Chlordioxid
Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit - Warnung vor MMS Supplement bei Tieren
Verbraucherzentrale - MMS, erhebliche Gesundheitsgefahr
Natural Horse Care - Warnung vor der Verabreichung von MMS an Pferde
MedWatch - DMSO - Finger Weg von Selbstmedikation
Vetpharm - Unerwünschte Wirkungen von DMSO
MedWatch - Umstrittener Tierarzt wirbt für gefährliches Wundermittel Chlordioxid